Was heißt denn „altersentsprechend“?
Um einen geeigneten Behandlungsplan aufstellen zu können, ist es für KieferorthopädInnen wichtig, zunächst die Entwicklung des Kindes zu beurteilen. Ist sie altersgemäß? Das können Sie festzustellen, indem sie das Alter des Kindes unter vier Aspekten betrachten. Dabei unterscheiden sie:
Für das chronologische Alter legen sie die Anzahl der Kerzen auf der Geburtstagstorte zu Grunde. Dann setzen sie das chronologische Alter in Bezug zum Wachstumsalter. Sie fragen sich: Ist das Kind für sein Alter eher etwas klein, erwartungsgemäß groß oder vielleicht größer als üblich? Darüber hinaus schauen sie auf das sogenannte dentale Alter. Dieses errechnet sich ausschließlich aus Zahlen, die das Gebiss betreffen. Es gibt beispielsweise 13-jährige Kinder, die recht groß gewachsen sind, und trotzdem noch mehrere Milchzähne haben. Andere Kinder haben, auch wenn sie eher klein sind, schon mit neun Jahren ein vollständiges bleibendes Erwachsenengebiss. Und zuletzt betrachten sie das psychosoziale Alter. Hierbei geht es primär um die Reife des Kindes. Kann es schon komplexe Zusammenhänge erfassen, wie zum Beispiel eine medizinische Behandlung, oder ist es eher noch kindlich verspielt und wäre mit einer derartigen Leistung überfordert?
Fehlentwicklungen durch mangelnde Übereinstimmung der unterschiedlichen Altersdimensionen
In den seltensten Fällen laufen diese vier Altersdimensionen vollständig parallel. Durch die unterschiedlichen Entwicklungsstadien je nach Betrachtungsweise können Probleme im allgemein medizinischen, wie auch im speziell kieferorthopädischen Bereich auftreten. Wachsen zum Beispiel zuerst die bleibenden Zähne, bevor sich der Kiefer dafür ausreichend entwickelt hat, entstehen dort Platzprobleme. Wachsen die Kiefer in unterschiedlicher Geschwindigkeit, kann auch das größere Fehlstellungen hervorrufen. Der Kieferorthopäde ist spezialisiert darauf, diese unterschiedlichen Entwicklungsarten zu bestimmen, entsprechende Fehlentwicklungen aufzudecken und die ein oder andere Entwicklung zu optimieren.
Fallbeispiele
Betrachten wir einmal den Fall der kleinen Melanie, die, wie in dem oben genannten Beispiel, bereits bleibende Zähne entwickelt hatte, deren Kieferwachstum aber noch nicht so weit ausgereift war, dass der Kiefer diese Zähne an der richtigen Position aufnehmen konnte. In diesem Fall griff ich ein, indem ich die Kiefer weitete, um mehr Platz zu schaffen.
In einem anderen Fall war die Entwicklung durch eine Erkrankung gestört. Bei Jonas lag schon recht früh Karies vor, so ausgeprägt, dass er vorzeitig einige Milchzähne verlor. Die Folge: eine Fehlstellung der bleibenden Zähne, da die Zähne neben zwei der entstandenen Lücken den freigewordenen Platz nutzten und in die Lücke hineinwuchsen, und das, bevor die bleibenden Nachfolgerzähne die für sie vorgesehenen Positionen einnehmen konnten.
In so einem Fall können zum Beispiel Platzhalter-Zahnspangen das Fehlwachstum verhindern. Oder, wenn die Platzverhältnisse bereits eingeschränkt sind, können Zahnspangen eingesetzt werden. Sie schaffen mit der Zeit neue Lücken und ermöglichen es so den bleibenden Zähnen, an die richtige Stelle zu wachsen.