Das ist eine der häufigsten Fragen, die Patienten und Eltern von Patienten stellen. Die Eltern wollen wissen, wie lange die Behandlung dauern und wie viel es kosten wird. Kinder wollen wissen, ob sie einen Aussenbügel tragen müssen (bei uns nie!) oder Zähne entfernen lassen müssen. Wie sieht es also aus mit dem Zähneziehen?
Drei wichtige Gründe, weshalb Zähne in der Kieferorthopädie entfernt werden
Zähne werden entfernt, um Platz in zu kleinen Kiefern zu schaffen
Zuerst, in Fällen von zu kleinen Kiefern, kann das Entfernen von Zähnen unvermeidbar sein. Wenn die Größe und Form des darunter liegenden Knochens einfach nicht ausreicht. Alle Zähne in diesen Fällen zu behalten würde nicht schlecht aussehen (die Zähne stehen dann vor und in extremen Fällen geht der Mund nur noch schlecht zu!). Die Zähne würden ausserdem über den unterstützenden Knochen herausragen, sich sozusagen “über die Klippe” lehnen. Und dass das gefährlich sein kann, zeigt dieses Beispiel ziemlich deutlich. Dadurch kann es dann auch zu Rezessionen (Rückgang des des Zahnfleisches) oder einer Dehiszenz (Knochenverlust, es folgt dann auch die Rezession) verursachen.
Bei leichtem bis mäßigem Engstand sind Extraktion oder Dehnen des Kiefers (Expansion) typische Möglichkeiten. Die Dehnung bedeutet, dass die Größe des (Zahn)Bogens durch Verschieben der Zähne nach außen vergrössert wird. In Fällen, in denen der vorhandene Kieferknochen ausreichend ist, kann dies allein mit den Zahnspangen erfolgen. In denen, in denen der Kiefer trotz Wachstums einfach zu klein ist, können Gaumennahterweiterungsapparturen (tolles Wort für das Galgenraten) verwendet warden. Einfach gesagt (aber wissenschaftlich flasch) lässt das den Kiefer breiter „wachsen“. Geht am besten bei Kindern, bei denen die Wachstumsplatten des Oberkiefers noch nicht komplett verwachsen sind. Aktuelle Studien zeigen aber auch, dass dies trotzdem manchmal bis zum 27. Lebensjahr möglich zu sein scheint. Danach (wenn die Wachstumsplatten fest “verwachsen” sind), kann eine Operation notwendig sein, um die Gaumennaht wieder zu öffnen. Das dient dazu, dass auch bei Erwachsenen der Kiefer geweitet werden kann. Dieses Verfahren ist gut geeignet für den Oberkiefer, es ist sehr begrenzt auch im Unterkiefer möglich. Der Unterkiefer gibt also vor, wie viel Kiefer geweitet warden können. Denn am Ende sollten Ober- und Unterkiefer ja auch zusammenpassen. Stimmt´s?
Entfernen von Zähnen kann für die Bisskorrektur erforderlich sein
Bei Kieferfehlstellungen, zum Beispiel einem starken Überbiss, gibt es zwei Möglichkeiten für die Korrektur. Man bewegt den Unterkiefer nach vorne (bei Kindern durch Wachstum, bei Erwachsenen durch eine Kieferoperation). Der andere ist das Zurückschieben (Distalisieren) der oberen Zähne. In leichten bis mittelschweren Fällen kann dies mit Federn, Teleskopen oder Miniimplantaten erreicht werden. In schwereren Fällen ist jedoch das Entfernen oberer Kleiner Backenzähne (Prämolaren) erforderlich, um Platz zu schaffen, der für eine größere Korrektur erforderlich ist. Angesichts der Wahl zwischen Operation und der Entfernung von zweier oberer Zähne entscheiden sich die meisten Patienten für letzteres. Bei Patienten, die jedoch gegen Extraktionen sind, ist eine Kieferoperation immer eine denkbare Option.
Manchmal gibt es noch eine Option
Eine weitere denkbare Lösung bei zu engen Kiefern ist statt des Entfernens von Zähnen das Verkleinern von Zähnen. Bei der so genannten approximalen Schmelzreduktion (auch als Stripping bekannt. Also nicht falsch verstehen, wenn die Assistentin irgendwann sagt: “Heute wird gestrippt!”) warden die Zähne in deren Zwischenräumen minimal (bis zu 0,25mm pro Zahnseite= 0,5mm pro Zwischenraum) beschliffen. So kann man in einem Kiefer schon bis zu ca. 5mm Platz gewinnen (Mathegenies und Kieferorthopäden können das auch genauer berechnen). Reichts das aus zur Lösung des Problems, ist das eine gute Möglichkeit. Manche Kieferorthopäden überschätzen aber den Platzgewinn, also am besten einfach mal mitrechnen! Die Zähne warden in den beschliffenen Bereichen überpoliert und mit Flouridlack verstärkt. Sie warden also nicht empflindlich oder anfällig dadurch. Es gibt hierzu seit fast 50 Jahren Studien, die das immer wieder bestätigen.
Nun muss man allerdings auch hier noch eines beachten: Deine Dir eigene Zahnform. Sehen Deine Zähne eher dreieckig aus, kann man bei Dir das Strippen in Erwägung ziehen. Sind die Zähne eher rechteckig (rechts und links parallel) ist es eher problematisch.
Manchmal ist es das beste Zähne zu ziehen
Tja, manchmal lässt es sich leider nicht abwenden, Zähne zu ziehen. Aber Du solltest darauf vertrauen, dass keine KieferorthopädInnen leichtfertig Zähne entfernen lassen. Auch wir finden es am angenehmsten, wenn eine Behandlung unkompliziert und komfortabel ist.
HINWEIS: Dieser Blog dient ausschliesslich der Patienteninformation, um aktuell gängige kieferorthopädische Behandlungen und Konzepte verständlich zu machen. Es ist kein Ort, um alternative Behandlungsmöglichkeiten online zu diskutieren. Er ist ebensowenig dafür erstellt, in Kommentaren beschriebene Fälle zu diagnostizieren, zu bewerten oder Behandlungspläne für Leser auszuwählen. Wir bitten um Verständnis dafür, dass es bei Zehntausenden von Lesern jeden Monat leider nicht möglich ist, auf alle Fragen und Kommentare zu antworten. Bitte lies deshalb die Kommentare, die mit jedem Artikel verbunden sind. Oft werden wiederholt ähnliche Fragen gestellt, die an anderer Stelle bereits beantwortet wurden. Die hier veröffentlichten Meinungen und Informationen sind urheberrechtlich geschützt und können nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors und gegen eine zu vereinbarende Lizenzgebühr verwendet werden.