Sicher bist Du schon auf die ein oder andere Weise mit dem Begriff konfrontiert worden, denn Aligner werden als neue, äußerst günstige und attraktive Zahnschienen massiv beworben. Dabei gibt es die Methode schon seit den 1970er Jahren, entwickelt von der Firma Align Technology. Als die Patente ausliefen, fing jede Firma an, ihre eigenen Aligner anzubieten. Das gipfelt darin, dass es heute (2020) sogenannte „Smile-Shops“ gibt, kleine städtische Läden oder online-Shops, in denen quasi jeder fast im Do-it-yourself-Verfahren seine Zahnschienen herstellen kann. Ungeschultes Personal in den Shops oder der online-Kunde selbst stellt mit Hilfe eines zugesandten Abdruck-Sets seinen eigenen Abdruck her und schickt ihn ein. Der Händler erstellt ein 3D-Modell, richtet die Zähne und erstellt daraufhin eine Aligner-Schiene, die der Kunde selbst einsetzt, ohne jegliche ärztliche Kontrolle. Dass das nicht immer gutgeht, kann sich jeder leicht vorstellen. Die Idee dahinter ist zweifellos attraktiv, denn natürlich fragen sich KundInnen, bzw. PatientInnen immer wieder, wie sie denn Kosten sparen können. Aber billig ist nicht immer gut.
So funktionieren Aligner
Doch schauen wir uns einmal genauer an, wie diese Alignerschienen funktionieren. Ähnlich wie Aufbissschienen – ein Begriff, den vielleicht manche schon gehört haben – werden die Aligner über die Zähne gestülpt, sind aber wesentlich dünner, feiner und durchsichtig. Da diese Schienen aus Kunststoff sind, sind sie nicht so lange haltbar, werden aber auch nur kurzzeitig getragen. Sie rücken die Zähne nach und nach in die richtige Position. Das geschieht in kleinen vorgegebenen Schritten, so wie es dem biologischen System entspricht, damit der Kiefer gesund bleibt und nichts kaputtgeht. Nach jedem Schritt wird ein neues Modell und dann eine neue Schiene erstellt. Das hört sich einfach an, ist es vom Prinzip her auch, aber die Zähne reagieren leider nicht immer genau so, wie sie sollen. Und genau hier besteht die Schwäche im Vorgehen der Smile-Shops. Während die Kieferorthopädin direkt im Mund kontrolliert, Abweichungen also live und unmittelbar am Patienten erkennt, findet die Kontrolle in Smile-Shops als Telemedizin über Fotos oder Videos per App statt. Außerdem bleibt eine andere Frage bei diesem Vorgehen offen: Was, wenn die Kiefer zu klein sind und der Platz nicht für alle Zähne ausreicht? Wie sollen dann die Zähne ohne Kieferorthopäde gerichtet werden? Das dürfte kaum funktionieren. Dann bekommen am Ende wir Kieferorthopäden Ergebnisse von Smile-Shops zu sehen, wo die Zähne aus dem Kiefer heraus gedrängt und locker wurden.
Der Kieferorthopäde kontrolliert individuell
Ein guter Kieferorthopäde plant in solchen Fällen voraus und fragt sich: Ist es vielleicht doch sinnvoll, wenn nicht alle Zähne erhalten bleiben? Müssen nicht vielleicht einige Zähne geopfert werden, um den vorliegenden riesigen Engstand zu kontrollieren? Manchmal gibt es auch für dieses Problem auch einfachere Lösungen als Zahnentfernung, man nennt es approximale Schmelzreduktion. Dabei werden einzelne Zähne minimal abgeschliffen, um auf die Weise mehr Platz zu schaffen. Das kann man nicht in der Do-it-yourself-Variante der Smile-Shops zu Hause selber machen.
Brackets – die „Ohren“ für Aligner
Stellen wir uns einmal vor, die Aligner sitzen auf dem Zahn wie eine Mütze auf dem Kopf. Die kann man nach Belieben rund um den Kopf drehen, es sei denn, sie hätte seitlich Löcher, wo die Ohren rausschauen und ein Drehen verhindern. Betrachtet man nun die Zähne von oben, kann man feststellen, dass sie oft rund wie ein Kopf aussehen. Wird nun die Alignerschiene darübergestülpt, kann sie diesen Zahn nicht drehen, ohne dass eine Art Halterung oder Henkel da ist, also ein paar „Ohren“. Die Experten nennen sie Attachments. Es sind im Grunde zahnfarbene Mini-Brackets aus Kunststoff, die auf die Zähne aufgebracht werden und wie ein Hebel funktionieren, mit dem die Schiene den Zahn richtig greift und dreht.
Vorteile für Patienten
Jetzt wird es sicher verständlicher, dass man mit einer Kombination aus einer festsitzenden vorbereitenden Zahnspange und vielen, immer neu angepassten durchsichtigen Alignern sehr komplizierte Behandlungen durchführen kann.
Aligner – das lässt sich also abschließend sagen – sind eine absolut brauchbare Alternative, die ihren Platz in der Kieferorthopädie hat. Langjährige Erfahrung mit diesem System ist sicher vonnöten. Für die Patienten bieten sie viele Vorteile: Aligner sind sehr bequem, gut zu tragen, einfach einzusetzen, sie stören wenig und bedürfen nur einer geringen Eingewöhnungszeit. Wer sich dafür entscheidet, muss aber eines beachten: Die Aligner muss man tragen. Und zwar durchschnittlich 22 Stunden am Tag. Man nimmt sie nur zum Zähneputzen und zum Essen heraus. Und da der Träger selbst dafür verantwortlich ist, muss er sehr diszipliniert sein und sie auch immer wieder einsetzen. Tut er das nicht, sind sie unwirksam.
HINWEIS: Dieser Blog dient ausschliesslich der Patienteninformation, um aktuell gängige kieferorthopädische Behandlungen und Konzepte verständlich zu machen. Es ist kein Ort, um alternative Behandlungsmöglichkeiten online zu diskutieren. Er ist ebensowenig dafür erstellt, in Kommentaren beschriebene Fälle zu diagnostizieren, zu bewerten oder Behandlungspläne für Leser auszuwählen. Wir bitten um Verständnis dafür, dass es bei Zehntausenden von Lesern jeden Monat leider nicht möglich ist, auf alle Fragen und Kommentare zu antworten. Bitte lies deshalb die Kommentare, die mit jedem Artikel verbunden sind. Oft werden wiederholt ähnliche Fragen gestellt, die an anderer Stelle bereits beantwortet wurden. Die hier veröffentlichten Meinungen und Informationen sind urheberrechtlich geschützt und können nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors und gegen eine zu vereinbarende Lizenzgebühr verwendet werden.