Können Kieferorthopäden den Kiefer länger oder größer machen und so das Aussehen der Patienten maßgeblich verändern? Die Antwort ist, wie so oft im Leben, ein klares Jain. Wirklich länger machen können wir beispielsweise einen zurückliegenden Unterkiefer nicht.
Der Wachstumsausgleich
Eine Lageveränderung des Kiefers können wir aber sehr wohl bewirken. Ebenso können wir Wachstumshemmnisse beseitigen, sodass das natürliche Wachstumspotenzial des Kiefers ausgeschöpft werden kann. Und umgekehrt: Auch das Bremsen des Kieferwachstums ist möglich, allerdings nicht so effektiv wie eine Wachstumsförderung. Aber ehrlich gesagt, ist auch das kein echter Zuwachs, sondern eher ein Ausgleichen des bisher fehlenden Wachstums sowie eine Lageänderung der Kiefer. Möglich machen diese Veränderungen hauptsächlich lose, herausnehmbare Zahnspangen. Besonders häufig kommen diese Apparaturen bei der Korrektur weit zurückliegender Unterkiefer zum Einsatz. Diese meist zweiteiligen Spangen sind so gestaltet, dass der Unterkiefer nach vorne verschoben wird, wenn der Mund geschlossen ist. Sie heben die falsche Position des Kiefers, die oft durch falsch stehende Zähne verursacht wurde, auf und schieben ihn in die korrekte Lage. Im ersten Schritt wird die Muskulatur der Kiefer quasi neu programmiert. Der Kiefer wird dann nach einer Weile automatisch und gewohnheitsmäßig auch ohne die Zahnspange in der korrekten Position gehalten. Dann stabilisieren wir diese Position. Nun kann das natürliche Wachstum störungsfrei erfolgen und diese Position quasi „festwachsen“.
Die Wachstumsbremse
Eine andere Art der Wachstumssteuerung ist das Bremsen des Wachstums. Die bekannteste Apparatur, die dies bewirkt, ist der sogenannte Headgear, der Außenbügel. Dieser Bügel ist an der Außenseite der Backenzähne befestigt, geht aus dem Mund heraus und wird mit Gummibändern am Hinterkopf oder Nacken befestigt. Diese Vorrichtung hemmt das Wachstum des Oberkiefers.
Das Umlenken des Wachstums
Das Wachstum kann allerdings nicht nur gefördert, beschleunigt oder gebremst werden. Es kann auch umgelenkt werden. Wächst der Kiefer übermäßig stark in eine bestimmte Richtung, versucht der Kieferorthopäde mit Hilfe der Zahnspange, das Wachstum in eine förderlichere Richtung umzulenken. Es gibt zum Beispiel Patienten, deren untere Zähne fast komplett hinter den oberen versteckt sind. Ihnen hilft eine Zahnspange, die das Wachstum des Unterkiefers nach unten ablenkt. In der Folge gewinnt der Unterkiefer an Höhe und die Frontzähne können besser zusammenbeißen. In ähnlicher Weise kann das Wachstum eines sehr stark ausgeprägten und nach vorn gewachsenen Unterkiefers umgelenkt werden. Statt weiter nach vorn zu wachsen, soll dieser durch die Behandlung eher nach unten wachsen. Mit der entsprechenden Zahnspange kann der Kiefer zwar weiterwachsen, steht aber am Ende weniger weit nach vorne. Dadurch passt er besser zum Oberkiefer.
Die Wachstumsbeschleunigung
Auch Wachstumsbeschleunigungen sind möglich. Die sind wünschenswert, wenn das Wachstumsalter und das Zahnentwicklungsalter nicht ausreichend synchron verlaufen, zum Beispiel bei Kindern im Grundschulalter. Die neuen, größeren Erwachsenenzähne entwickeln sich schon, aber das Wachstum des Kiefers ist im Vergleich zu spät. An dieser Stelle greift der Kieferorthopäde ein. Mit seiner gewählten Apparatur setzt er einen Reiz, der das Wachstum vorübergehend fördern kann. Keine nennenswerte echte Größenzunahme, aber doch eine, bei der die Entwicklung der Zähne und der Kiefer besser aufeinander abgestimmt wird. So können viele Probleme der Zahn- und Kieferentwicklung schonend verbessert werden.
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